Bewerbungsbetrug
“Rufschädigende Spuren im Internet zu eliminieren, ist eine durchaus akzeptable Strategie, wenn es um die eigenen Karriere geht”, sagt Reputationsmanager Christin Scherg. “Kritisch wird es, wenn Bewerber*innen damit beginnen, Angaben über sich zu fälschen, um die eigenen Erfolgsaussichten zu steigern.”
Die Chancen, mit einer betrügerisch manipulierten Bewerbung ans Ziel zu gelangen, sind gering. “Fortgeschrittene Spezialsoftware, wie sie in ähnlicher Form auch bei Geheimdiensten zur Anwendung kommt, gibt es als Open Source auch für die allgemeine Anwendung”, erklärt Christian Scherg gegenüber dem Handelsblatt. Mit seiner Agentur REVOLVERMÄNNER GmbH berät er sowohl Manager als auch Firmenleitungen in Sachen Reputation und Abwehr von Bewerbungsbetrug.
Laut Erhebungen der Personalberatung Robert Half aus dem Jahr 2017 enthielten rund 30 Prozent aller Bewerbungen betrügerische Angaben. Auch eine LinkedIn-Befragung ergab ein ähnliches Bild: Etwa 25 Prozent der 2.000 Teilnehmer gab zu, bei Angaben zur Arbeitslosigkeit unwahre Angaben gemacht zu haben – aus taktischen Gründen.
Per OSINT zum gläsernen Bewerber
Eine der beliebtesten Anwendungen, die bei der Bewerberanalyse zum Einsatz kommt, ist Open Source Intelligence, kurz OSINT. Gemeinsam mit speziellen Anwendungen zur Bildanalyse bleibt für unredliche Bewerber kaum ein Schlupfloch.
“Gerade die Manipulation von Abschlussdokumenten ist dank Photoshop und anderen Grafikprogrammen seit der digitalen Übermittlung von Bewerbungsunterlagen ein verlockendes Mittel, um das eigene Diplom aufzuhübschen oder von unliebsamen Schwachstellen zu befreien”, weiß der Reputationsmanager. “Dennoch ist dringend davon abzuraten. Analyseprogramme erkennen selbst geringfügigste Abweichungen bei den zur Anwendung kommenden Schriften.”
Doch auch bei den Angaben in selbst verfassten Unterlagen wie dem Lebenslauf bleiben falsche, fehlende oder zugefügte Daten kaum noch unentdeckt. “Dafür sorgt OSINT”, sagt Christian Scherg. Die Anwendung durchsucht alle öffentlich zugänglichen Bereiche des Internet – bis hinein ins Darknet – in Bezug auf vorgegebene Suchbegriffe, in diesem Fall den Namen des Bewerbers.
“Dabei kommt es nur in begrenztem Umfang auf die offensichtlichen Quellen wie die sozialen Netzwerke oder Google an”, sagt Christian Scherg. “Wirklich interessant wird es bei der Analyse sekundärer Informationsquellen.”
Informations-Puzzle für ein aussagekräftiges Gesamtbild
“Je beeindruckender ein Lebenslauf aussieht, desto mehr Grund gibt es, ihn sich genauer anzusehen”, sagt Christian Scherg und verweist auf einen Fall aus seiner Praxis. Dabei ergab die mehrsprachige OSINT-Recherche bei einem Bewerber um den Posten eines Head of Controlling einen längeren Aufenthalt in einem südamerikanischen Land – allerdings ohne diesbezüglicher Erwähnung im Lebenslauf.
“Derartige Informationslücken können harmlos oder sehr aussagekräftig sein – so wie in diesem Fall”, berichtet Christian Scherg. Das lateinamerikanische Land rangiert im internationalen Korruptionsranking auf einem der vorderen Plätze. “Die berufliche Tätigkeit in einem solchen Umfeld erfordert vielfach, mit den Wölfen zu heulen und insbesondere bei den Compliance-Regeln gewisse Kompromisse zu machen”, sagt Christian Scherg. “Das allerdings disqualifiziert den Bewerber für Posten mit hohem ethischen Anspruch und großer Verantwortung.”
OSINT und andere Recherchetechniken decken schonungslos Inkompatibilitäten zwischen ausgeschriebenen Positionen und der Lebensführung der Bewerber auf. “Das kann beispielsweise die wiederholte Teilnahme an Oldtimer-Rallyes mit dem eigenen, sündteuren Sammlermodell sein, wenn es um die Besetzung des Postens eines Finanzsanierers geht”, sagt Christian Scherg. “Das Privatleben ist bei der Durchleuchtung der Bewerber nicht tabu.”
Auch ein PS-starker Neuwagen, häufige Präsenz bei ausgelassenen Partywochenenden und andere Dokumente eines ausschweifenden Lebenswandels sind für viele anspruchsvolle Job-Angebote ein Ausschlusskriterium – vielfach bereits im Vorfeld, bevor es überhaupt zu einem Gespräch kommt.
“Mein Tipp: Tricksen und Täuschen ist ein absolutes Tabu”, sagt Christian Scherg. “Seine Erfolgsaussichten auf diese Weise steigern zu wollen, kann zu weit mehr führen als nur einem nicht erhaltenen Job. Bewerbungsbetrug kann sich als strafbare Handlung erweisen, bis hin zur Urkundenfälschung. Das kann böse enden.”