Hass im Gaming
eSports aber auch Hass im Gaming hat sich in den letzten Jahren zu einem Massenphänomen in der Onlinewelt entwickelt. Mannschaftsmäßig betriebene Computerspiele weisen naturgemäß stark entwickelte Kommunikationselemente auf, hauptsächlich über die Chatfunktion, mit deren Hilfe die Gamer sich während des Spiels miteinander unterhalten können. Die dunkle Seite der Medaille: Auch Hass, Intoleranz und Rassismus breiten sich auf den Spieleplattformen schnell aus.
In der Folge “Hass im Gaming” des Podcasts “Digital Crime” der Deutschen Telekom äußert sich Kommunikationsexperte Christian Scherg zum Phänomen der zunehmenden Hasskultur im eSports-Bereich und verrät, wie sich Gegenstrategien und Abwehrtechniken erfolgreich anwenden lassen.
Emotionalisierte Grundstimmung fördert Hass-Kommunikation
Zu Wort kommt der dunkelhäutige Gamer Josef, der von Anfang an unter dem ruppigen und aggressiven Umgangston in der Gamingszene leidet. Da die meisten Onlinespiele wie Fortnight oder Counter-Strike intensive Kampfhandlungen Mann gegen Mann, beziehungsweise Frau, beinhalten, sind aggressive Grundmuster in der Kommunikation nur folgerichtig. Eine rote Linie wird allerdings überschritten, wenn sich die Sprechbeiträge in Richtung persönliche Verunglimpfung, Herabsetzung und rassistische Anfeindungen ausweiten.
Josef erlebt im alltäglichen Spielbetrieb alle Spielarten der Hasskultur: von kleinen Beleidigungen über Rassismus und Sexismus bis hin zu Transgender-Feindlichkeit. Im Grunde könnte der dunkelhäutige eSports-Fan dem gegen ihn gerichteten Rassismus einfach entgehen, indem er für sich einen hellhäutigen Avatar erzeugt, der ihn in der Spielewelt repräsentiert. Doch auch in diesem Fall wäre er Teil eines hochgradig toxischen Kommunikationsumfelds, in dem Hass und Intoleranz grassieren.
Josef möchte allerdings nicht als Weißer erscheinen. Er begrüßt es, dass viele Spieleanbieter auch die Gestaltung dunkelhäutiger Avatare vorsehen, damit er sich als die Person präsentieren kann, die er ist. Dennoch sind dunkelhäutige oder anderen Ethnien zugehörige Avatare in Spielwelten nur selten anzutreffen. Zu groß ist die Gefahr, sich massiven Anfeindungen auszusetzen.
Spieleentwickler sind für den Hass im Gaming mitverantwortlich
Doch auch die Gestaltung der diversen Avatare unterstützt vielfach rassistische Stereotype: So werden dunkelhäutige Spielfiguren oft als wild und bedrohlich dargestellt, asiatische dagegen als intelligent, dafür aber körperlich eher unterentwickelt. Diese unterschwellige Rollenzuordnung überträgt sich nicht selten auf die Spieler, die derartige Avatare auswählen.
Josef erlebt während des Spielbetriebs immer wieder direkte rassistische Angriffe. Die Wirkung lässt nicht lange auf sich warten: Nach und nach verliert er die Lust am Gaming, und wie ihm geht es vielen nicht-weißen Spielern, wenn sie als solche erkennbar werden.
Ein systemimmanentes Problem bei eSports und anderen Online-Games ist der permanent vorhandene niederschwellige Grundpegel an Hate Speech. Er schafft die Voraussetzung dafür, übergriffige Rhetorik als entschuldbare Ausrutscher zu deklarieren.
Hass im Gaming – das Problem nicht totschweigen
“Offensiv damit umzugehen, wie Josef das tut, ist der beste Weg, dem Problem beizukommen”, weiß Christian Scherg. “Verdrängen oder Löschen ist in diesem Umfeld gar nicht möglich. Es bleibt kein anderer Weg, als sich dem Problem zu stellen.”
Reputation spielt in der Onlinewelt eine immer größere Rolle. Es geht darum, was man sagt und tut, und welche Auswirkungen das darauf hat, wie man wahrgenommen wird. “Online-Präsenz beinhaltet den Umgang mit Resonanzräumen, ein permanenter Ritt auf der Rasierklinge”, sagt der Repuationsmanager.
Zwar ist es Aufgabe der Spieleentwickler, eine möglichst hassfreie Spielumgebung zu schaffen. Doch diesem Ziel sind deutliche Grenzen gesetzt. “Es wird immer Hass im Netz geben”, weiß Christian Scherg aufgrund seiner beruflichen Erfahrung. Das hat vor allem mit der Anonymität in der Spielwelt zu tun.” Aber auch das Fehlen von Schiedsrichtern, wie sie bei Sportveranstaltungen in der realen Welt üblich sind, trägt zur Verrohung der allgemeinen Sitten bei.
“Auf diesem Kanal leben Menschen ihre Wut und ihren Hass aus”, erklärt der Kommunikationsexperte. “Das hat vielfach nicht das Geringste mit der angegriffenen Person selbst zu tun. Es geht vielmehr darum, Dampf abzulassen und sich abzureagieren.”
Allerdings gibt es dazu auch einen übergeordneten Aspekt. “Natürlich ist der Hass im Gaming für die jeweiligen Opfer, denen die Angreifer Krebs, Pest und Corona an den Hals wünschen oder sie mit Morddrohungen eindecken, eine sehr schlimme Angelegenheit”, sagt Christian Scherg. “Auf der anderen Seite erlaubt die Anonymität im virtuellen Raum die Entladung derartiger Reflexe auf relativ offene und überschaubare Art und Weise.”
Im Vergleich zur materiellen Welt, stellt der im Netz ausgelebte Hass das kleinere und ungefährlichere Übel dar. Hass, der sich in der realen Welt hinter vorgehaltener Hand aufstaut, kann zu erheblich drastischeren Ergebnissen führen. Dennoch gehört Hass und Intoleranz im eSport zu den schmerzhaftesten Fehlentwicklungen in der Netzkultur.