Hate Speech
Hate Speech gegen Politiker*innen – die Annahme, das politische Klima sei in der Lokalpolitik freundlicher und sanfter als in der Hochpolitik auf Regierungsebene, ist eine häufige Fehleinschätzung. Gerade Lokalpolitiker*innen sehen sich in den letzten Jahren zunehmend Anfeindungen und Aggressionen ausgesetzt, und das sowohl aus der Bürgerschaft als auch aus der Richtung von Kolleg*innen aus anderen Parteien. Damit richtig umzugehen, entwickelt sich für viele Kommunalpolitiker zu einer ebenso großen Herausforderung wie die politische Arbeit selbst.
In der Folge “Anfeindungen in der Lokalpolitik” des Podcasts “Digital Crime” der Deutschen Telekom geht Reputationsmanager Christian Scherg auf die besonderen Probleme ein, denen sich Lokalpolitiker*innen in ihrem Arbeitsalltag ausgesetzt sehen.
Protest – auf persönlicher Ebene ausgetragen
Die Lokalpolitikerin Johanna, die in dieser Folge des Podcasts zu Wort kommt, ist in einem ungünstigen Moment Bürgermeisterin einer kleinen Gemeinde geworden: Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 kam es auch zur Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Stadt. Das erzeugte eine Flut von Protesten, die vielfach auch in Hate Speech, wie persönliche Beleidigungen und Drohungen ausartete.
Doch auch der Ton im Umgang mit Politikern aus anders orientierten politischen Lagern wurde rauer: Nun war es nicht mehr Frau X, die mit einem Antrag in die Sitzung kommt, sondern “die Alte”, die wieder nervt, und Ähnliches.
“Der Hass ist in der letzten Zeit deutlich angestiegen”, sagt Christian Scherg. “Das hat nicht zuletzt mit den vielen unterschiedlichen Krisen zu tun, die die Menschen im kommunalen Umfeld umtreiben.” Das eigentliche Problem ist, dass ein konkretes Ziel für die eigene Angst und den daraus erwachsenden Hass nicht wirklich auszumachen ist.
“Die Leute wissen im Grunde nicht, gegen wen oder was sie ihren Hass richten sollen”, erklärt der Kommunikationsexperte. “Soll man die ganze Welt hassen, oder die Politiker, oder die Wissenschaftler? Im Grunde werden alle zu Hassobjekten.”
Hate Speech gegen Politiker*innen – Permanenter Krisenmodus
Das Problem, dem sich Lokalpolitiker*innen gegenübersehen, ist den Kolleg*innen auf Bundesebene schon länger bekannt. In der modernen digitalen Welt befinden sich Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, im permanenten Krisenmodus.
Diese Tatsache trifft zunehmend auch auf Lokalpolitiker*innen zu, auch wenn diese sich dessen oft nicht bewusst sind. “Auf den Umstand, sich im dauerhaften Krisenmodus zu befinden, sind viele Politiker*innen auf lokaler Ebene einfach nicht vorbereitet”, weiß Christian Scherg aus seiner beruflichen Praxis.
Laut Martin Meister von der Initiative “Stark im Amt” ist ein Drittel aller Bedrohungen gegen Lokalpolitiker*innen klassische Hate Speech. Die Äußerungen treffen anonym über das Netz ein, ohne dass die Urheber bekannt werden. Ein weiteres Drittel übermittelt Hassinhalte unter dem eigenen Namen, entweder per Veröffentlichung in den sozialen Medien, per E-Mail oder durch Briefsendungen. Das letzte Drittel tritt persönlich auf, nicht selten am Wohnort der Zielpersonen, um sie mit Beleidigungen und Drohungen einzudecken.
“Problematisch ist, dass die Anfeindungen und die Missgunst ganz konkrete Auswirkungen auf das private Umfeld der Lokalpolitiker*innen haben”, sagt Christian Scherg. “Das ist ein Kriterium, das bei Bundespolitiker*innen nicht so ins Gewicht fällt, da die Distanz meist größer ist. Lokalpolitiker*innen sind dagegen ganz direkt betroffen.”
Besonders heimtückisch sind die indirekten Angriffe. “Da werden schon mal Familienmitglieder der Zielpersonen beleidigt, ob Eltern, Geschwister oder Ehepartner”, weiß der Reputationsmanager. “Dadurch entsteht eine besonders hohe psychische Belastung, nicht nur bei den Angegriffenen selbst, sondern auch bei der Zielperson, die sich verantwortlich dafür fühlt, dass nahe Personen aus ihrem Umfeld das erleiden müssen.”
Hate Speech – direkter Angriff auf die Reputation
Gerade im lokalpolitischen Umfeld stammen Anfeindungen und Falschinformationen über einzelne Politiker*innen nicht selten von Instanzen mit einer gewissen Glaubwürdigkeit. “Werden solche Äußerungen öfter wiederholt und verbreitet, nicht selten ganz direkt von Straße zu Straße, stellt das einen direkten Angriff auf die Reputation der Zielperson dar – vor allem, weil diese sich in der Regel nicht dagegen wehren können.”
Gegen derartige rufschädigende Prozesse sollten betroffene Lokalpolitiker*innen konsequent vorgehen. Bei online verbreiteten Hassreden und Verunglimpfungen gibt es dafür bewährte Techniken. Schwieriger ist das bei der Reputation gestandener Politikerpersönlichkeiten innerhalb ihres direkten beruflichen und privaten Umfelds.