Vom Datenverkehr, bei dem wir auf der Strecke bleiben
Nervöses Trommeln am Lenkrad, seitlicher Blick an der Schlange vorbei. Keine Bewegung. Auch beim Surfen im Internet ist Stop-and-Go vertraut: Genervtes Tippen auf die Tasten, Starren aufs stockende Display. Stau auf der Datenautobahn. Abseits der StVo vorbeirasen? Ungerecht? Neue EU-Regeln ebnen hier willkürlich den Weg: Der Verkehr auf der Datenautobahn kennt seit dieser Woche Sonderrechte.
Statt die Netzneutralität und Gleichbehandlung aller Daten zu stärken, hat das EU-Parlament eine außerordentliche Überholspur für „Spezialdienste“ eingerichtet. Welche Brüsseler Spezialitäten in Zukunft über die „Fast Lane“ transportiert werden, sagt die Verordnung nicht.Dem Bürger wird das Schlupfloch in der Netzneutralität als Notfallgasse auf der digitalen Autobahn verkauft. Daten der Telemedizin sollen mit speziellen Vorrechten direkt zum Einsatzort geleitet werden: Per IP in den OP. Lebensrettende Maßnahmen als argumentative Totschläger. Doch durch sekundenschnelle Infos lassen sich auch Existenzen, Unternehmen und Länder retten. Datensofortmaßnahmen für die Gesundheit der Wirtschaft. Die Banken zücken schon die Börse. Und wenn Konzerne dann auf teuren Mautstrecken kleinere Firmen abhängen, entspricht auch das der Spezialordnung im Internet. Im EU-Netz herrscht dann das Recht des Stärkeren. Durchs Einfallstor der Spezialdienste fallen Wegelagerer ins Internet ein und rauben Bandbreite. Ihre höheren Kapazitäten gehen auf unsere Kosten.
Die EU-Parlamentarier haben diese Woche die Karre mit Vollgas in den Dreck gesetzt. Sie da wieder rauszuholen und eine gerechte Straßenverkehrsordnung umzusetzen, liegt nun in der Verantwortung der nationalen Politiker. Solange aber Standort, Anbindung und Kosten der Netzanbindung darüber entscheiden, wie schnell wir mit unseren Daten unterwegs sind, gibt es keine Gleichheit im Internet. Hier dokumentiert der Verlust der Netzneutralität nur, was längst Sache ist: Wir stehen in der Schlange hinten an.