Bewertungsportale – Yelp Urteil
Es mit vielen guten Feedbacks in ein Bewertungsportal geschafft zu haben, bedeutet noch nicht, dort von den Besuchern auch so wahrgenommen zu werden. Dem stehen zum Teil rätselhafte Bewertungs- und Gewichtungsalgorithmen der Portale im Weg, die zu streckenweise absurden Ergebnissen führen können. Dass Gewerbetreibende das hinnehmen müssen, bestätigte kürzlich der Bundesgerichtshof.
77 gute Beurteilungen – trotzdem nur zwei Sterne
Fitnessstudio-Besitzerin Renate Holland platzte nach einiger Zeit der Kragen. Obwohl sie auf dem Bewertungsportal Yelp für ihr Studio über achtzig meist gute bis sehr gute Bewertungen mit vier und fünf Sternen einheimsen konnte, errechnete das Portal nur zwei Sterne als Durchschnitt – und das aus nur neun Bewertungen. Die anderen 77 waren sind nach Ansicht des Portals unecht – so genannte Fake Ratings. Aufgrund welcher Algorithmen Yelp zu diesem Schluss gekommen ist, steht in den Sternen.
Der Streit landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof, und hier kam die kalte Dusche: „Ein Gewerbetreibender muss Kritik an seinen Leistungen und die öffentliche Erörterung geäußerter Kritik grundsätzlich hinnehmen“, so das BGH.
“Das Problem bei dieser Angelegenheit ist der zugrundeliegende Bewertungsalgorithmus”, sagt dazu Reputationsmanager Christian Scherg. Bewertungsportale und andere Onlinemedien bewegen sich hier zum Teil im rechtsfreien Raum. “Zwar kann ein Bewertungsalgorithmus durchaus die Spreu vom Weizen trennen, besonders, wenn es um große Mengen an Einzelbewertungen geht. Was dabei allerdings fehlt, ist die Transparenz bei der Arbeitsweise des Algorithmus.”
Bewertungsalgorithmen – Alchemie des digitalen Zeitalters
Problematisch wird es, wenn die Portale die Arbeitsweise ihres Algorithmus nicht offenlegen müssen, um die Qualität Ihrer Bewertungen zu beweisen. Genau das ist aktuell der Fall. “Das ist, als würde ein Richter ein Urteil fällen, müsse aber nicht angeben, aufgrund welcher Gesetze er das tut”, sagt Christian Scherg.
Die frühere Bodybuilding-Weltmeisterin Renate Holland mit ihren acht Studios in Bayern ist eine von vielen Leidtragenden dieser Rechtslage. Sie sieht durch die fragwürdige Praxis der Portale Ihre Gesamtexistenz gefährdet. Als besonders fatal empfindet sie die Begründung des BGH, das die Vorgehensweise von Yelp bei der Anwendung des automatischen Filters mit “ausreichend transparent” bewertet.
“Der BGH beruft sich bei seiner Begründung auf die Tatsache, dass Yelp die nicht verwendeten Bewertungen nicht verschweigt, sondern unter einem gesonderten Link verfügbar macht”, erklärt Christian Scherg. “Aber was nützt das, wenn nicht offengelegt wird, aufgrund welcher Kriterien die Bewertungen in diese Liste geraten sind?”
Nach Ansicht des Experten für Reputationsmanagement wird eine zweite Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs benötigt, die sich speziell mit automatischen Bewertungsalgorithmen und der Offenlegung ihrer Arbeitsweise beschäftigt. “Bis dahin sollte man das beste Bewertungsportal verwenden, das es gibt: den eigenen Freundes- und Bekanntenkreis”, sagt Scherg. “Analoge Bewertungen aus dem sozialen Umfeld sind auf jeden Fall echt – Algorithmus hin oder her.”