Cyber-Mobbing-Experte Christian Scherg im RTL-Interview
In einem im Juni 2023 veröffentlichten Videobeitrag des bekannten deutschen TV-Privatsenders RTL und dem entsprechenden Artikel auf dessen Website äußert sich Christian Scherg, Kommunikationsexperte und Cyber-Mobbing-Experte, zu Videos mit teils extremer Gewalt unter Jugendlichen. Diese werden nach wie vor regelmäßig auf Social-Media-Portalen und gerade unter Kindern und Teenagern beliebten Videoplattformen wie TikTok veröffentlicht sowie untereinander geteilt.
Der Beitrag von RTL beschreibt den wachsenden Trend zur körperlichen und psychologischen Gewalt unter Kindern und Jugendlichen am Beispiel der 14-jährigen Janina (Name geändert) aus Pforzheim. Diese wurde im Juni 2023 von insgesamt acht Mädchen zwischen gerade einmal 11 und 14 Jahren unter falschem Vorwand zu einem Treffen eingeladen und anschließend zu Boden geprügelt. Während die mutmaßlichen Täterinnen weiter auf die am Boden liegende Janina eintraten und -schlugen, filmten diese mit ihren Smartphones die Gewalttat und veröffentlichten die Szenen später auf der umstrittenen chinesischen Videoplattform TikTok.
Hetze, Cyber-Mobbing und Körperverletzung: Gewalt unter Kindern und Jugendlichen
Weder ist es das erste Mal, dass die 14-jährige Pforzheimerin Opfer einer solchen brutalen Prügelattacke und dem darauf folgenden Cyber-Mobbing wurde, noch ist der Trend neu, in dem sich Kinder- und Jugendgangs auf ein wehrloses Opfer stürzen, dieses gewaltsam zusammenschlagen und die gefilmte Tat im Anschluss auf diversen Social-Media-Plattformen veröffentlichen und untereinander teilen. Täter:innen und Opfer kennen sich dabei zumeist persönlich, entweder aus dem privaten und schulischen Umfeld oder zumindest flüchtig über Onlineplattformen wie TikTok.
Gegen die acht mutmaßlichen Täterinnen, die Janina im Juni 2023 in die Falle gelockt und zusammengeschlagen haben, wird wegen gefährlicher Körperverletzung und der Verbreitung gewaltverherrlichender Videos ermittelt. In der Vergangenheit folgten auf solche Vorfälle häufig Anzeigen wegen Körperverletzung und Anti-Aggressionstrainings für die jugendlichen Täter:innen, doch diese Strafmaßnahmen scheinen, so die Vermutung des RTL-Beitrags, ihre abschreckende Wirkung größtenteils verloren zu haben. Zudem sollen mittlerweile bereits rund 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche selbst Opfer von Cyber-Mobbing und Hass im Internet geworden sein.
Auch aus diesem Grund möchte unter anderem das Bundesjustizministerium die digitale Gewalt im Internet zukünftig besser bekämpfen, etwa durch angepasste und modernisierte Gesetze, welche unter anderem die Verfolgung der jungen Täterinnen und Täter über deren IP-Adressen vereinfachen sollen.
Cyber-Mobbing-Experte – Ohne jedes Unrechtsbewusstsein: „Spaß“ und Klicks mit Gewaltvideos bei TikTok und Co.
Christian Scherg, Gründer und Geschäftsführer der Düsseldorfer Kommunikations- und ORM-Agentur REVOLVERMÄNNER GmbH sowie Cyber-Mobbing-Experte, bezeichnet das Filmen und die Verbreitung der Gewaltvideos als Totalversagen der elterlichen Erziehung, der Schulen, aber auch der Politik und der Betreiber solcher unter Jugendlichen sehr beliebten Plattformen wie etwa TikTok.
In der Konsequenz fehle schlichtweg das Bewusstsein dafür, eine oder mehrere Straftaten zu begehen, so der Cyber-Mobbing-Experte weiter. Das gemeinsame Verprügeln der jungen Opfer, das gleichzeitige Filmen und anschließende Veröffentlichen der Gewaltvideos bei TikTok und Co. werde nicht als etwas Unrechtes, sondern als harmloser und quasi konsequenzloser Spaß wahrgenommen – zumindest für die Täter:innen.
Die Folgen für die Opfer, welche teilweise noch am Boden liegend bis zur Bewusstlosigkeit und äußeren wie inneren Blutungen getreten, dabei gefilmt und weiter gedemütigt werden, spielen für die Kinder und Jugendlichen dabei scheinbar keine Rolle mehr – ganz im Gegensatz zu den Views und Likes auf dem eigenen TikTok-Profil.
Hier sieht Kommunikations- und Cyber-Mobbing-Experte Christian Scherg einen besonderen Nachholbedarf auf Seiten der Plattformbetreiber: „Gewalt ist plötzlich etwas, das Klicks bringt; etwas, womit ich bekannt werden kann und Gewalt ist auch etwas, das von den Plattformen nicht sanktioniert wird.“ Gewaltvideos müssten daher zukünftig von den Betreibern schon frühzeitig erkannt, gefiltert und vollständig verboten werden.
Weitere Informationen zur Hilfe und Bekämpfung von Cyber-Mobbing erhalten Sie hier.