Digitale Kommunikation Experteninterview
Digitale Kommunikation hat die persönliche Unterhaltung nahezu aussterben lassen. Twitter, Facebook und Co. Die sozialen Medien beherrschen zunehmend unser Leben und verändern unsere Kommunikation. In der aktuellen Ausgabe des ZDF Magazin “Sonntags” geht Andrea Ballschuh zusammen mit dem Kommunikationsexperten Christian Scherg der Frage nach, was mit uns passiert, wenn unsere Kommunikation revolutioniert wird.
Digitale Kommunikation überfordert uns
Wer heutzutage kommunizieren möchte, tut das meist auf eine Art und Weise: Schriftlich. Telefonieren ist zur Ausnahme geworden, die Regel ist das Schreiben. Sei es eine persönliche Nachricht an den Partner per WhatsApp oder eine Statusmeldung bei Facebook, die Hunderte von Freunden sehen können. In der digitalen Welt herrscht ein Mitteilungsbedürfnis, das immer und überall befriedigt werden muss – und kann. Ob von Freunden oder Fremden, Informationen sind inzwischen immer und überall verfügbar und unsere Meinung dazu stets gefragt.
Der Kommunikationsexperte Christian Scherg vergleicht den Strom von Informationen, dem wir täglich ausgesetzt sind, mit einem „Informationszug, der durch die sozialen Netzwerke rauscht.“ Ich kann zusteigen und aussteigen wo ich will, doch der Zug fährt immer und jeder kann mitfahren.
Eine Situation, die viele Menschen überfordert. Zwar steigt die weltweite Erreichbarkeit, doch wird es gleichzeitig immer schwieriger aus der riesigen Masse an Informationen die herauszufiltern, die wahr und wichtig sind.
Digitale Kommunikation schafft sozialen Druck
Um in der Masse der Nachrichten nicht unterzugehen – täglich werden schätzungsweise um die 660 Millionen Nachrichten per WhatsApp versendet– müssen die Nachrichten auffällig sein. Man muss pointiert und zugespitzt schreiben; Digitale Kommunikation bekommt einen Eventcharakter.
Ging es bei der Kommunikation früher noch darum, den Menschen, die einem nahe standen, etwas mitzuteilen, ist das einzige was digitale Kommunikation ausmacht, der ganzen Welt die eigene Meinung kundzutun. „Meinung ist heutzutage auch etwas wie eine Brosche, die ich mir anhefte“, so Christian Scherg.
Ein wichtiges Kriterium fällt dabei weg: Die Stimme, die beispielsweise hilft, Ironie zu verstehen und somit essentiell ist, wenn es darum geht, mein Gegenüber wirklich zu verstehen. Die digitale Kommunikation zwingt uns dazu, Emotionen zu komprimieren. Emoticons helfen, komplexe Gefühle wie Trauer, Sorge oder Glück kurz und knapp auf den Punkt zu bringen. Für tiefgründige Kommunikation bleibt keine Zeit. Wenn in immer kürzerer Zeit immer mehr Nachrichten das Smartphone zum Glühen bringen, steigt der soziale Druck unaufhörlich.
Immer mehr Informationen mit immer weniger Zeichen prasseln in der digitalen Kommunikation auf uns ein. Informationen, mit denen wir umgehen und auf die wir reagieren müssen. Auch, wenn es immer schwieriger wird.