Auch Friederike Kempner wollte einen guten Ruf haben: Der Schlesische Schwan
Einen guten Ruf haben zu wollen, ist keine Erfindung unserer Tage und gewiss kein Nebenprodukt des Internet. Lange vor der Einführung digitaler Kommunikationsmedien war die Sorge um die Reputation bereits ein wichtiges Thema, wie das Beispiel von Friederike Kempner zeigt.
Auch Friederike Kempner wollte einen guten Ruf haben
Friederike Kempner wurde am 25. Juni 1828 in Optavov [in der damaligen Provinz Posen] geboren und starb am 23. Februar 1904 auf dem schlesischen Gut Friederikenhof. In Nachschlagewerken findet man Friederike Kempner bisweilen als „deutsche Dichterin“. Der Nachwelt im Gedächtnis blieb sie allerdings als „der Schlesische Schwan“ – was daran liegt, dass Schwäne nicht eben für ihren schönen Gesang berühmt sind. Einen guten Ruf haben und berühmt sein, war ihr nie wichtig. Nur durch ein missglücktes Reputationsmanagement gelangte Friederike Kempner jedoch zu nachhaltiger Berühmtheit.
Aber der Reihe nach: Die Kempners waren eine emanzipierte und erfolgreich assimilierte jüdische Familie. Friederikes Vater Joachim war 1864 in der Lage, sich und seiner sechsköpfigen Familie in Schlesien das genannte Gut Friederikenhof zu kaufen. Friederike entwickelte sich zu dem, was man seinerzeit ein „spätes Mädchen“ nannte, und widmete sich Höherem: Sie begann zu dichten.
Nebenbei konnte Friederike Kempner sich einige Reputation erwerben, indem sie sich für allerlei wohltätige Zwecke engagierte. Krankenpflege und Armenfürsorge sowie eine Reform des Gefängniswesens lagen ihr am Herzen. Ihre Angst, lebendig begraben zu werden, machte sie zu einer prominenten – und erfolgreichen – Vorkämpferin für die Einrichtung öffentlicher Leichenhäuser, die eine längere Frist zwischen Todeszeitpunkt und Beerdigung gewährleisten konnten und so Scheintoten völlig neue Möglichkeiten eröffneten, sich noch mal zu rühren. Friederike Kempner schaffte, im Sinne eines Reputationsmanagements, also positive Inhalte zu Ihrer Person, dieses Engagement ließ sie einen guten Ruf haben.
Die Werke der Friederike Kempner
Konträr zu fundierten Inhalten, die in einem Reputationsmanagement geschaffen wurde, erlangte Friederike Kempner wahren Ruhm durch ihre dichterischen Aktivitäten. Kaum ein Thema gab es, dem sie ihre Aufmerksamkeit versagt hätte. Gleichzeitig gab es garantiert kein Gedicht, in dem ihr nicht ihre Bilder und Metaphern achtkantig um die Ohren geflogen wären:
Amerika, Du Land der Träume,
Du Wunderwelt so lang und breit,
Wie schön sind Deine Kokosbäume,
Und Deine rege Einsamkeit!
Oder:
Willst gelangen Du zum Ziele,
Wohlverdienten Preis gewinnen,
Muß der Schweiß herunter rinnen
Von der Decke bis zur Diele!
Dies an sich wäre wohl kaum ein Problem gewesen: Eine alte Jungfer, die irgendwo in Schlesien auf einem Landgut hockt und Gedichte schreibt – wen störts? Zum Leidwesen ihrer Familie allerdings verfügte „Tante Riekchen“, wie Friederike Kempner genannt wurde, über eigene – nicht unerhebliche – finanzielle Mittel, die es ihr gestatteten, auch Druck- und Vertriebskosten selbst zu tragen. So ausgestattet, hatte sie kein Problem, einen Verleger zu finden.
Historisches Reputationsmanagement: Familie Kempner wollte doch nur einen guten Ruf haben
An dieser Stelle wird die historische Überlieferung etwas vage. Dafür beginnt eine Anekdote, die nicht ganz zweifelsfrei zu belegen ist: Nachdem Friederike Kempner ihren ersten Gedichtband auf eigene Kosten publiziert hatte, wurde der Familie Angst und Bange. Denn einen gute Ruf haben, war der Familie äußerst wichtig. So entschloss man sich, das Reputationsmanagement in die eigenen Hände zu nehmen: Man wollte dafür sorgen, dass die Bücher möglichst keine Käufer fanden. Schließlich wollte man ja einen guten Ruf haben. Dazu allerdings bot sich nur eine einzige Möglichkeit: Nämlich möglichst alle Buchläden aufzusuchen, in denen Friederike Kempners Gedichtband auflag, und die vorhandenen Exemplare aufzukaufen.
Einen guten Ruf haben: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint
Dies allerdings führte zu einer Reaktion, die uns Marktwirtschaft-Erfahrenen zwangsläufig einleuchten wird: Nachdem die erste Auflage in Rekordzeit vergriffen war, drängte der Handel auf rasche Nachlieferung und eine zweite Auflage ging prompt in den Druck.
Der Rest ist wiederum historisch verbürgt: Friederike Kempners Gedichtband wurde im Jahr 1873 erstmals aufgelegt und lag im Jahr 1903 bereits in einer achten Auflage vor. Derartige Auflagen nötigen auch den Poeten unserer Tage noch höchsten Respekt ab und es wird niemanden verwundern, dass die finanziellen Mittel der restlichen Kempner-Familie irgendwann nicht mehr Schritt halten konnten – oder, dass die Familie zu der Ansicht gelangte, dass man schlechtem Geld nicht noch mehr gutes Geld hinterher werfen sollte.
Ebenso wenig ist es verwunderlich, dass irgendwann auch mal die literarische Zunft auf das Auflagenwunder aufmerksam wurde, sich ein Exemplar des Bändchens besorgte – und sich prächtig amüsierte. Und wenn ein Literat sich einmal amüsiert, dann erzählt er es auch weiter: Beginnend mit Paul Lindau – seinerzeit Herausgeber der einflussreichen Wochenschrift „Die Gegenwart“ – über Alfred Kerr und Herrmann Mostar bis hin zu Heinz Erhard wurde die Kunde von Friederike Kempner dem „schlesischen Schwan“ nachhaltig verbreitet. Bis heute erfolgreich: Googeln Sie doch einfach mal „Friederike Kempner“ [in Wikipedia finden Sie dann – über Paris: „Ihr wißt wohl, wen ich meine / Die Stadt liegt an der Seine“].
Wer heute einen guten Ruf haben will, kann aus vergangenen Fehlern lernen
Auch wenn seither über ein Jahrhundert verflossen ist, zeigt der „Fall“ Friederike Kempner doch einige typische Züge, die uns auch im modernen Online Reputation Management regelmäßig begegnen: Was wäre denn passiert, wenn die Familie weniger panisch reagiert hätte?
Hätte man auf improvisiertes Do-it-yourself Reputationsmanagement verzichtet, wären die wenigen Bändchen der ersten Auflage in den Regalen der Buchhandlungen liegen geblieben. Ab und an wäre eines – vielleicht sogar antiquarisch – verkauft worden und hätte als Mitbringsel in einem anderen Regal weiter Staub angesetzt. Ein paar Exemplare hätten natürlich ihren Ehrenplatz in der Bibliothek des Friederikenhofs gefunden, wären von der Autorin Friederike Kempner mit persönlicher Widmung verschenkt worden – und würden den Nachkommen der so Beschenkten gewiss ein Schmunzeln entlocken.
Erst die vorschnelle Reaktion im Rahmen des Reputationsmanagement auf eine [im konkreten Fall lediglich befürchtete] Reputationsattacke führte zu genau dem Effekt, der eigentlich verhindert werden sollte. Im heutigen Reputationsmanagement nennen wir das den „Streisand-Effekt“ – wohl auch weil dieser, beschleunigt durch digitale Kommunikationsmedien, deutlich schneller eintritt, als erst im Lauf von drei Jahrzehnten. Das Beispiel Friederike Kempner ist, obwohl es bereits über 100 Jahre zurückliegt, ein immer wiederkehrendes Phänomen im Reputationsmanagement.
Der Ruf ist eines der wichtigsten Güter der Menschen – mit einem strategischen Reputationsmanagement bleibt Ihnen das Schicksal der Familie Kempner erspart und Sie stellen sicher, dass Sie einen guten Ruf haben.
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