Haters gonna hate, hate, hate…
„Mein Haus, mein Auto, mein Boot“, in dem Werbespot einer großen Bank von 1995 trafen sich durch Zufall zwei alte Freunde in einem Restaurant, präsentierten sich gegenseitig ihre Erfolge anhand von Fotos und ergötzten sich am neidvollen Blick des anderen. Knapp 25 Jahre später hat sich an diesem Prinzip nichts geändert: Selbstdarstellung und Vergleiche mit anderen liegen in der Natur des Menschen. „Früher ging es darum, wer den größeren Hof hat, heute schaut man, wie viele Likes der andere hat“, weiß Christian Scherg, Experte für Social-Media-Strategien für Unternehmen und Privatpersonen.
Heutzutage jedoch trifft man sich nicht mehr zufällig in der realen Welt, im 21. Jahrhundert verkörpert sich dieses Forderung nach Bestätigung online und weltweit in den sozialen Medien, insbesondere bei Instagram. Affirmation erfahren die User dabei durch die Likes, die ihnen ihre Community gibt, dabei unterscheiden sich die Motive der verschiedenen Posts selten grundlegend. Gefällige Motive in schwachen Abwandlungen garantieren nunmal den Dopamin-Kick durch Lob. Doch wer hat nun das coolere Haus, das coolere Auto, wenn alle eigentlich gleich aussehen?
Das Like als Währungseinheit
Die Antwort auf die Frage ist: Vermeintlich derjenige mit den meisten Likes unter einem Post. Und eben diese Gefallsucht möchte Instagram eindämmen. Durch Wegfall des Quantifizierung-Werkzeugs erhoffen sich die Betreiber den Erfolgsdruck zu senken, doch Christian Scherg ist sich auch hier sicher, „wenn es die Funktion nicht mehr gibt, finden die User andere Wege, sich zu vergleichen.“ Als Spezialist für Krisenkommunikation und Shitstorms im Internet sieht er in der Instagram-Community ein grundlegendes Mitteilungsbedürfnis, weshalb nicht die Menge von Likes oder Kommentaren relevant ist, sondern die Qualität der Posts sowie die Botschaften der einzelnen User. In Lehrgängen, so genannten Shitstormsimulatoren, erläutert er die Wichtigkeit im Umgang mit Kommentaren von Hatern oder Trollen. Bei täglich etwa 80 Millionen Beiträgen auf Instagram ist es folgerichtig anzunehmen, dass nicht jeder Post von jedem gemocht wird und aufgrund der Anonymität im Netz ist der Ton manchmal recht harsch – um es gelinde auszudrücken.
Ein Zeichen von Zugehörigkeit
Durch das vermeintliche Dilemma um die Anzahl der Likes heben die Betreiber von Instagram ein Problem hervor, das eigentlich keins ist. Denn immerhin haben sie eine Plattform geschaffen, auf der sich Menschen weltweit miteinander austauschen, gegenseitig inspirieren und natürlich auch kritisch miteinander umgehen. Die Nähe und Verbundenheit, die dadurch geschaffen wurden, sollten dabei den Blickwinkel des Menschen schulen, nicht ausschließlich die Negation zu betrachten. Authentizität auch bei schwierigen Themen wie Politik und der offene Umgang mit den eigenen Fehlern können auch dem stärksten Shitstorm widerstehen.