Internet Zensur in China
Internet Zensur in China ist mal wieder ein Thema. Dass die chinesische Führung über die angedrohte Sperrung von TikTok in den USA nicht begeistert ist, lässt sich nachvollziehen. Auch Gegenmaßnahmen sind nicht unbedingt ein unerwarteter Zug. “Jetzt hat China zugeschlagen, wenn auch nicht gerade sehr wirkungsvoll”, sagt Kommunikationsexperte Christian Scherg in einem Interview mit pressetext.
Das Beste, das der chinesischen Führung in der Kürze der Zeit eingefallen ist: die Sperrung von Scratch, einer Programmiersprache für Kinder und Jugendliche. Rund 60 Millionen junge Menschen haben mit der beliebten Anwendung Videospiele und Animationen kreiert und tun es mit wachsender Begeisterung. Nicht mehr in China, das von jeher seine Datenhoheit mit großer Entschlossenheit verteidigt hat.
“Dass die Sperrung gerade jetzt erfolgt, hat zweifelsohne mit TikTok zu tun”, erläutert Christian Scherg. “Aber wenn man sich die Begründung ansieht, ist klar, dass dieser Schritt über kurz oder lang ohnehin zu erwarten war.”
Verstoß gegen chinesische Bestimmungen
Falsche Angaben über die Volksrepublik – so lautet die offizielle Begründung der chinesischen Führung. Was in Zusammenhang mit einem Kreativ-Tool für Kinder eher abwegig erscheint, beinhaltet doch eine gewisse Logik. “Die chinesische Führung ist sehr darauf bedacht, gerade bei Kindern die Kommunikationshoheit zu behalten, insbesondere, wenn es darum geht, westliche Einflüsse außen vor zu halten”, erläutert Christian Scherg.
Die schädliche Einflüsse, die China ausgemacht hat, sind bei Scratch geographischer Natur: Innerhalb des Spiels sind Hongkong, Taiwan und Macao eigenständige Staaten – für China ein Reizthema ersten Ranges. “Möglicherweise wäre die Kommunikation zwischen den Staaten ohne die TikTok-Kontroverse anders verlaufen”, sagt dazu Christian Scherg. “Das MIT Media Lab als Entwickler wäre nicht die erste Einrichtung, die Produkte an den chinesischen Markt angepasst hätte. Allerdings ist die Konflikteskalation in diesem Fall dafür wohl schon zu weit fortgeschritten.”
Programmierung ist in China ein Schulfach mit großer Bedeutung. Scratch war bisher ein beliebtes Tool dafür – ganz zu schweigen von der großen Zahl nicht institutionalisierter User. “Ob die Scratch-Abstinenz ein anhaltender Effekt bleiben wird, darf zumindest angezweifelt werden”, meint Christian Scherg. “Viel wird wohl davon abhängen, wie der Streit um TikTok endet.”
Internet Zensur in China
Doch selbst eine endgültige Sperrung bedeutet nicht das Aus für Scratch in China. Über 60 Millionen Installationen des Scratch Editors befinden sich bereits auf chinesischen Computern, und die können auch offline genutzt werden. Dazu kommen die zahlreichen Möglichkeiten, sich das Programm auch unter Umgehung der chinesischen Restriktionen zu beschaffen.
Allerdings ist die Position von Scratch in China nicht unangefochten. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es eine Reihe von Mitbewerbern, beispielsweise Code Mao, das dem gesperrten Platzhirschen den Rang streitig machen könnte. “Wie so oft, alles eine Frage der Kommunikation”, meint dazu Christian Scherg.