Vom Webxit, der unsere Verbindungen kappt
Grexit. Brexit. Webxit? Raus aus dem Netzwerk, in das man eingebunden ist, in dem man sich gefangen fühlt. Im Web ist man nie alleine, stets nur Teilnehmer an einem großen Ganzen, das wir nicht bestimmen können. Je umfassender, je grenzüberschreitender, umso geringer wird der Einfluss der Einzelnen. Mitbestimmung, Meinungsfreiheit, Kommunikation über die Grenzen hinweg: Mit Erfolg und Wachstum schwindet der Einfluss des Einzelnen auf das System.
Es ist wie in anderen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Verbänden: Je mehr Interessengruppen sich engagieren, umso schwerer fürs Individuum, seine Interessen zu wahren. Wollte man am Anfang Grenzen schleifen und Brücken schlagen, so empfinden bald viele den fremden Verkehr als Bedrohung, fühlen sich bedrängt und unter Druck. Unser Selbstbild komprimiert zu briefmarkengroßen Icons, mit denen wir Flagge zeigen.
Wir fügen uns neuen Regeln: Nur wer in sozialen Netzwerken zu finden ist, existiert, nur wer seine Mails am gleichen Tag beantwortet, erscheint agil, nur wer die aktuellen YouTube-Videos gesehen hat, ist informiert. Manchem scheint da der Ausstieg als letzte selbstbestimmte Handlung. Doch längst sind wir zu stark eingebunden, als dass wir uns einfach herausreißen könnten. Längst ist unser Erscheinungsbild zu sehr verwachsen, als dass der radikale Schnitt nicht schmerzhafte Wunden risse. Längst sind wir zu stark in der Web-Gemeinschaft verwurzelt, als dass unser Alltag einen Exit schadlos überstünde.
Das Web ist kein Club, bei dem sich einfach die Mitgliedschaft kündigen lässt, kein Verein, aus dem man sich – mir nichts, dir nichts abmeldet –, kein Verbund, dem man schlicht den Rücken kehrt. Es beeinflusst unser Selbstverständnis und Erscheinungsbild, bestimmt, wie andere uns sehen und ansprechen, prägt unsere Identität.
Es ist der digitale Dorfplatz, auf dem wir uns treffen, auf dem wir uns mit anderen austauschen, der unser soziales Leben mitbestimmt. Das Internet hält uns in Verbindung und nimmt uns Angst vor Fremden. Nach dem Webxit aber sind wir allein auf der Insel.