Krisenkommunikation der Bundesregierung
Die Mehrheit der Deutschen findet, dass die Bundesregierung derzeit einen guten Job macht beim Corona-Krisenmanagement: 63% der Bürger sind aktuell mit der Krisenkommunikation der Bundesregierung zufrieden oder sehr zufrieden mit der Arbeit des Kabinetts, nachdem noch im Monat März die Werte nahezu umgedreht waren. Dennoch warnt der Reputationsmanager Christian Scherg davor, dass sich die Kommunikation in Durchhalteparolen erschöpfen könnte.
Im Interview mit dem Magazin Cicero erläutert er die Dringlichkeit nach härter formulierten Wahrheiten, um die Bürger weiterhin zur Vorsicht anzuhalten.
Krisenkommunikation der Bundesregierung – Sind wir im Krieg oder nicht?
Entgegen üblicher Prozedere ausschließlich zu Feiertagen hielt Kanzlerin Angela Merkel am 6. April 2020 eine persönliche Ansprache an die Nation, in der sie vor allem auf emotionalem Wege darum bat, den Empfehlungen der Bundesregierung zum Schutz vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus zu folgen. „Das ist absolut wichtig“, bezeichnet Scherg diesen Schritt, betont aber gleichzeitig, dass die freundlichen Formulierungen „auf Kosten der Eindringlichkeit“ gingen.
Eine „Und wenn Ihr nicht alle brav seid, ist auch nicht schlimm“-Kommunikation wird der globalen Krise dieser Größenordnung nicht gerecht, da enthielt die martialische Ansprache des französischen Präsidenten Macron, z. B. man würde sich im Krieg um Gesundheit gegen einen unsichtbaren Feind befinden, deutlich gravierendere Formulierungen mit Aufweckfunktion. Denn die Ansprache Macrons, die insgesamt sechsmal das Wort „Krieg“ enthielt, führte umgehend dazu, dass die Franzosen den Ernst der Lage erkannten, die Grüppchenbildung an beliebten Ausflugszielen blieb schlagartig aus, die Pariser Ausfallstraßen waren überlastet, man wollte so schnell wie möglich das Ballungsgebiet verlassen.
Ein wenig Panik muss sein
In Deutschland bleibt diese Erkenntnis bisher aus, am Osterwochenende waren die Grünflächen überlaufen, der notwendige Mindestabstand wurde so gut wie nicht eingehalten – der Deutsche ist von einer Panik weit entfernt. Dabei könnte eine bisschen Panik Leben retten. So sieht ein Leitfaden des Bundesministeriums zur Krisenkommunikation von 2008 außerdem vor, in einer Krise die Bevölkerung möglichst umfassend, aktuell, widerspruchsfrei und wahrheitsgemäß zu informieren. Der Bürger soll mittels klare Formulierungen also umfangreich und lückenlos aufgeklärt werden.
Der Experte für Krisenmanagement Christian Scherg sieht den zu beschreitenden Weg in der goldenen Mitte zwischen der Ansprache der Kanzlerin und dem Leitfaden des Ministeriums, denn eine Pandemie ist kein „auf dem Reißbrett geplanter Spielzug, der auf dem Platz mit seinen vielen Parametern niemals so sauber und stringend umzusetzen ist“. Ebenso wenig umfassend und widerspruchsfrei kann die Berichterstattung dazu sein, ein Virus kann Haken schlagen wie ein Hase. Vertrauen und Glaubwürdigkeit, aber auch die Eröffnung möglicher worst cases, falls sich das Virus unkontrolliert ausbreitet, sind das oberste Gebot der Stunde. Scherg wünscht sich hier auch mehr Transparenz und klare Kommunikation über den Pandemie-Fahrplan, damit die Deutschen wissen, wofür sie sich einschränken – und was passiert, wenn sie es nicht tun.