Krisenmanagement in der Immobilienbranche
Krisenmanagement in der Immobilienbranche ist nicht nur in Krisenzeiten wichtig. “Wenn es ein Schulbeispiel für kooperative Konfliktbearbeitung gibt, dann ist das zweifellos das Spannungsfeld zwischen Mietern und Vermietern angesichts der weltweiten Corona-Krise”, sagt Reputationsmanager Christian Scherg im Interview mit der Immobilien Zeitung. “Hier müssen zwei gegnerische Lager eine gemeinsame Basis finden, um nicht ins Abseits zu geraten.”
Mieter, die durch die pandemiebedingte, weltweite Wirtschaftskrise in finanzielle Nöte geraten, und Vermieter, die deshalb mit Mietausfällen rechnen müssen – das sind keine guten Voraussetzungen für ein produktives Zusammenwirken. Trotzdem müssen beide Seiten wohl oder übel Wege zur Überwindung der Notlage finden, sollen sich nicht negative Langzeitfolgen einstellen – weit über Corona hinaus.
Zweckbündnisse erfordern Gesprächsbereitschaft
Welch fundamentale Bedeutung Krisenmanagement in der Immobilienbranche einnimmt, zeigt die aktuelle Situation. Noch 2019 standen sich die Lager der Mieter und Vermieter in unversöhnlichem Streit gegenüber: Explosionsartig steigende Mieten und die Diskussion um mögliche Enteignungen machten beide Parteien zu regelrechten Klassenfeinden. Nur wenige Monate später zwingt die Kontrahenten eine weltweite Pandemie zu intensiven Überlegungen, wie sich eine einigermaßen praktikable Lösung finden lässt – am besten gemeinsam.
“Was viele Vermieter – vor allem große Immobilienträger – in dieser Situation übersehen: Eine kooperative Haltung gegenüber den eigenen Mietern ist ein aktiver Beitrag zur Steigerung des eigenen Ansehens”, sagt Reputationsmanager Christian Scherg. Unternehmen, die sich der besonderen Situation ihrer Mieter bewusst sind und feinfühlig darauf eingehen, gewinnen in der öffentlichen Wahrnehmung markant an Substanz. Das kann sich in der Post-Pandemie-Zeit als entscheidender Faktor erweisen, denn niemand kann heute sagen, wie schnell sich die Wirtschaft wieder erholen wird – und mit ihr die Immobilienbranche.
Krisenmanagement in der Immobilienbranche – Dialog ist der beste Weg durch die Krise
Andreas Ibel ist Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen. Lukas Siebenkatten hingegen ist Präsident des Deutschen Mieterbunds. Sie repräsentieren sozusagen Engel und Teufel des deutschen Wohnungsmarkts, wobei natürlich jeder von beiden die Rolle des Engels für sich beansprucht. In der Vergangenheit in verbissene Auseinandersetzungen verstrickt, propagieren beide derzeit überraschender Harmonie und demonstrieren konsequente Gesprächsbereitschaft.
Öffentliche Debatten der beiden Interessenvertreter – situationsbedingt meist virtuell im Internet abgehalten – verlaufen derzeit wie Lehrvideos zur kooperativen Verhandlungsführung nach dem Harvard Negotiation Project – freundlich, rücksichtsvoll und konsequent auf Problemlösung ausgerichtet. Die Gespräche senden zum Krisenmanagement in der Immobilienbranche eine deutliche Botschaft aus: Konflikte lassen sich am produktivsten gemeinsam bewältigen – nicht, indem man versucht, sich als Stärkerer zu behaupten, sondern indem die Kontrahenten daran arbeiten, gemeinsame Interessen ausfindig zu machen und darauf Lösungsmodelle aufzubauen.
Die Botschaft an Mieter und Vermieter ist eindeutig: Miteinander reden führt in der Regel weiter als gegeneinander zu klagen. “Wenn dem Mieter Corona-bedingt das Geld für die nächste Miete fehlt, lässt sich das durch eine Klage nicht herbeizaubern”, sagt Christian Scherg. “Und ob der Mietnachfolger nach einer erfolgreichen Räumungsklage in diesen Zeiten zahlungskräftiger ist, darf zumindest angezweifelt werden, besonders, wenn das Mietverhältnis bis zum Ausbruch der Krise gut war.”
Reputation durch gutes Krisenmanagement – das ist ein Paradebeispiel für die Kunst, aus der Not eine Tugend zu machen, nicht nur für die Immobilienbranche.