Mein guter Ruf
Mein guter Ruf ist in Gefahr und der Grund sind schlechten oder gefälschten Bewertungen. Die freie Meinungsäußerung ist wohl eine der wichtigsten Grundlagen des Internets. Und diese Meinungsäußerung kennt eine Währung: Sterne. Ob Händler, Anbieter, Produkte, Arbeitgeber, Orte oder Dienstleistungen – im Internet lässt sich alles leicht mit den bekannten Symbolen bewerten. Und genauso wie bei jeder anderen Währung gibt es auch unter den Sternen „falsche Fuffziger“. Der Internetexperte Christian Scherg erklärt in seinem Beitrag für den Security Explorer die Mechanismen des Bewertens und die Motivation der Seitenbetreiber.
Mein guter Ruf ist in Gefahr – wegen Wutbürgern mit Smartphones
Portale wie Facebook, Yelp, Golocal, „Google My Business“, Jameda oder kununu bieten eine ideale Möglichkeit, um dem Ärger über so ziemlich alles Luft zu machen.
Die Portion im Restaurant war zu klein? Per Smartphone lässt der Gastronomiebetrieb sich schnell zur kulinarischen Katastrophe degradieren. Der Hotelbetreiber hat keinen Nachlass auf die Massage gegeben? Mit wenigen Klicks wird schnell die gesamte Hotelkette zerrissen. Und wehe, der Chef gibt nicht die gewünschte Gehaltserhöhung- da wird mit wenigen Sätzen gleich die ganze Firma abgewertet.
Doch was für den einen nur ein harmloses Freizeitvergnügen ist, hat für die Betroffenen oft harte Konsequenzen. Denn was auf die Häme folgt ist nicht selten ein messbarer wirtschaftlicher Schaden.
Mein guter Ruf – der Kampf David gegen Goliath
Wie glaubwürdig solche Bewertungen sind ist dabei egal – es genügt das Prinzip „Klein gegen Groß“. Dabei ist es unwichtig, ob der anonyme David jemals für den bekannten Goliath gearbeitet oder seine Dienste in Anspruch genommen hat. In der Anonymität des Internets bleibt dies unbekannt. Und auch die Plattformbetreiber sind selten eine Hilfe – aller Gerichtsurteile zum Trotz interessieren sie sich herzlich wenig für die Glaubwürdigkeit der Bewertungen.
Dies zeigt auch das Beispiel eines Arztes, welcher gegen die Arztbewertungsplattform Jameda geklagt hatte. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied, dass das Portal den Besuch des wütenden Patienten bei dem Arzt beweisen müsse. Dieser hatte nach einer negativen Bewertung Zweifel daran gehegt, ob der Patient überhaupt bei ihm in Behandlung war. Das Gericht wollte daraufhin Beweise wie ausgestellte Rechnungen, gestempelte Rezepte oder Nachweise über Terminvereinbarungen sehen.
Die Plattformbetreiber jedoch weigerten sich unter Berufung auf den Schutz der Anonymität ihrer Nutzer. Selbst anonymisierte Nachweise könnten zu leicht Rückschlüsse von dem Arzt auf die Identität des Nutzers zulassen, so das Portal.
Mein guter Ruf – wenn Lästern zum Volkssport wird
Die Debatte läuft heftig, doch aktuell ist darin noch nicht allzu viel dazu gewonnen. Um die Sterne im Internet wie Gummipunkte zu verteilen, braucht es nicht wirklich Ahnung von der Materie. Jeder der möchte kann fleißig bewerten. Und die Betreiber der Plattformen konzentrieren sich auf ihr eigenes Business, das am besten läuft, je extremer die Meinungen sind. Grund genug für sie, sich blind zu stellen.
Lästereien finden gerne Gehör und es gibt keinen Geschäftszweig, der sich nicht dafür eignete. Vom stinkenden Käse im Restaurant zur miefigen Umkleide im Fitnessstudio- wer lästern will, findet einen Grund.
Mein guter Ruf – Wertewandel im Wertehandel
Diese Lästereien bedeuten Unterhaltung für diejenigen, die an ihnen beteiligt sind und prächtiges Geld für die Plattformbetreiber. Denn dem diffamierten Dienstleister, Anbieter oder Händler bleibt nach einer Attacke oft nichts anderes übrig, als mit Werbung in eigener Sache auf der Plattform selbst gegenzusteuern.
Diese Werbung wird den Opfern der Rufattacke von den Betreibern vieler dieser Seiten angeboten. Genug Druck im Meinungstopf kocht den Unternehmer sehr schnell weich.
Für seinen guten Ruf muss er teuer bezahlen – ein Schelm, wer dabei an Schutzgeld denkt! Das postende Publikum denkt sich häufig herzlich wenig dabei und wird doch schnell und unbemerkt zum Handlager eines lukrativen Geschäfts: Wertewandel im Wertehandel.