Der Streisand Effekt
Was ist der sogenannte Streisand Effekt? Zuweilen funktioniert das Internet auch wie ein Bumerang. Hier ist Barbra Streisand unsere Kronzeugin, denn sie stand Pate für den in der Kommunikationswissenschaft längst etablierten Begriff Streisand Effekt. Ein Klassiker im Online Reputation Management, den viele kennen werden – Wir wollen ihn aber an dieser Stelle aufgrund vieler Nachfragen in unseren Seminaren noch einmal [kurz] erläutern und seine Auswirkungen auf die Reputation erklären:
Der Streisand Effekt: Es begann mit einem Foto
Im Jahr 2003 veröffentlichten der Fotograf Kenneth Adelman und die Website Pictopia.com 2003 eine Sammlung von 12.000 Fotos der kalifornischen Küstenlinie. Ziel der Aktion war es laut Adelman, für das California Coastal Records Project die Erosion der Küste zu dokumentieren. Unter diesen 12.000 Bildern befand sich auch eine Luftaufnahme des Domizils von Barbra Streisand, was diese dazu veranlasste, Adelman deswegen auf 50 Millionen US-Dollar zu verklagen. Damit kam gleich eine Reihe von Faktoren zusammen, die ein Gerücht fast unmittelbar zur Nachricht adeln:
Allein ein Streitwert von 50 Millionen Dollar verbürgt schon einen hohen Nachrichtenwert. Zudem tat die weltweite Bekanntheit von Streisand ein Übriges, dass die Information die Relevanzschwelle leicht überwinden konnte. Nachdem Barbra Streisand persönlich dafür gesorgt hatte, dass die Verbindung zwischen ihr und dem Foto irgendeines Gebäudes in Adelmans Sammlung publik wurde, verbreitete sich die Information in Rekordzeit und wurde nahezu unmittelbar zur Nachricht: Der Streisand Effekt war geboren. Binnen eines Monats besuchten über 420.000 Menschen die Seite des California Coastal Records Project – mutmaßlich, um Streisands Grundbesitz zu begutachten.
Streisand Effekt Definition
Seither beschreibt der Begriff Streisand Effekt den Umstand, dass durch den Versuch, eine Information zu unterdrücken, auch das genaue Gegenteil erreicht werden kann, dass nämlich diese Information in kürzester Zeit der maximalen Anzahl von Menschen bekannt wird. – Die mit dem Streisand Effekt verbundenen Risiken sollte jeder, der mit Rufmord im Internet konfrontiert wird, bei der Wahl der Mittel unbedingt ins Kalkül ziehen. Der Streisand-Effekt ist kein neues Phänomen und als eine Form der „umgekehrten Psychologie“ bekannt. Das bedeutet, dass das Verhalten von Menschen dadurch in die gewünschte Richtung gelenkt wird, indem man ihnen vorschreibt, was sie nicht tun sollen, um am Ende genau das Gegenteil zu erreichen.
Beim Streisand Effekt wird dieser Mechanismus allerdings unbeabsichtigt ausgelöst und durch die Dynamik des Internets zusätzlich potenziert.
Der Streisand Effekt in der Praxis
Man sollte als Kommunikationsverantwortler genau überlegen, ob juristisch oder kommunikativ auf eine Meldung [war oder falsch] reagiert werden sollte. Und wenn ja, ist die nächste Überlegung, wie intensiv, nachdrücklich und sichtbar diese Reaktion ausfallen sollte und zudem muss eingeschätzt werden, wie sichtbar diese Reaktion potentiell durch eine ungewünschte Verbreitung werden kann. Als Gegenoffensive kann ein “Streisand-Effect” auch ganz bewusst ausgelöst werden, um den Gegener unter Druck zu setzen. Dies sollte allerdings ausgewiesenen Reputationsexperten überlassen werden, weil der Reputationsverlust durch eine Fehleinschätzung im weiteren Verlauf exponentiell steigen kann.
Streisand Effekt Beispiele [01]:
Geisterfahrer auf Twitter
Betroffen: Essener Verkehrs-AG [„EVAG“]
Der Auslöser: 2012 versuchte die Essener Verkehrs AG [„EVAG“] den Hashtag #EVAG bei Twitter komplett zu verbieten.
Der Streisand Effekt: Die Twitter Community war von der Idee den “kommunikativen Nahverkehr” einzuschränken, nicht so begeistert und nutzte dieses Hashtag noch viel intensiver, was dazu führte, dass #EVAG sogar auf die Spitzenposition in den den Charts der meistverwendeten Hashtags schoß.
Streisand Effekt Beispiele [02]:
Maulkorb für Orang-Utans
Betroffen: KitKat [Nestlé]
Der Auslöser: Stein des Anstoßes war die Kritik von Greenpeace an der Verwendung von Palmöl bei der Produktion des Schokoriegels KitKat und die damit verbundene Zerstörung des Lebensraums der Orang-Utans. Befeuert wurde die Kampagne mit schockierenden Youtube-Videos, in denen u.a. ein junger Mann im Stil der Nestlé-Werbung nicht in einen knackigen Schokoriegel sondern herzhaft in einen blutigen Orang-Utan Finger beißt.
Der Streisand Effekt: Das Greenpeace-Video war nur der Auftakt – so richtig los ging der Sturm erst, als Nestlé das Video wegen seiner hohen Verbreitungsgeschwindigkeit verbieten wollte und diverse Fanseiten abgeschaltet und Kommentare gelöscht wurden. Jetzt wurde aus dem strammen Lüftchen eben der Shitstorm, der bis heute als Klassiker vielfach zitiert, dokumentiert und kommentiert wurde. So wie hier.