Von Usern, die Farbe bekennen
Draußen vor den Fenstern herrscht der Schrecken. Wir blicken in den Monitor und sehen im Internet eine Welle der Solidarität. Mit Blau-Weiß-Rot nehmen die User im Internet Haltung an. Facebook hat hierfür sogar eine Sonderfunktion eingebaut: Per Mausklick lässt sich hier die „Unterstützung für Frankreich und die Menschen in Paris“ bekunden. Schon wird das Profilbild mit einem bunten Schleier überzogen! So trägt der engagierte Microblogger Couleur.
Von Dauer ist dies meist nicht, denn Facebook hat die Funktion mit einer Zeitvorwahl ausstattet, über die sich einstellen lässt, ob das farbige Bekenntnis eine Stunde, einen Tag oder eine Woche gelten soll. Dann wird abgeschaltet. Solidarität auf Zeit.
Solidaritätszeichen in Social Media gibt es in verschiedenen Formen, beispielsweise mit dem arabischen „N“ für Nazarener gegen die Verfolgung der Christen durch den IS, in Regenbogenfarben für die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität oder als virtuelle Schleifen für Toleranz gegenüber AIDS-Kranken. So lassen sich optisch Positionen beziehen und zur Diskussion stellen.
Doch die Debatten drehen sich inhaltlich nicht nur um die illustrierten Themen. Ein guter Teil des Dialogs bezieht sich stets auf die Symbole, ihre Aussagekraft und ihren Einsatz: Lässt sich so eine Meinung sagen? Anscheinend, wie die Wortgefechte belegen. Diesmal also rücken wir unter einer trikolorierten Decke zusammen. Wo Sprachlosigkeit die Szene beherrscht, ist es halt schwierig die richtigen Worte zu finden. Da sagt dann ein eingefärbtes Bild einfach mehr als Worte.
Gut so, denkt man bei mancher Äußerung. Besser allerdings, wenn differenzierte Äußerungen die Farben und Symbole unterfüttern. Unsere sozialen Netze bieten viel Raum für Nuancen des politischen Farbkastens, in allen Zwischentönen, von laut bis leise bis zur fast schweigenden Mehrheit. Im Internet lautet die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln: Mitreden und Profil zeigen. So kann man öffentlich einen Standpunkt einnehmen und Farbe bekennen.