Wahlkampf in Coronazeiten
Der Wahlkampf in Coronazeiten wurde, wie fast alles in diesem Jahr, in die digitale Welt verlegt. Wo sich sonst Kommunalpolitiker unters Volk mischten und so die Nähe ihrer Wähler und ihre Stimmen suchten, wurde in diesem Corona-Jahr der Wahlkampf ins Netz verlegt.
Christian Scherg, Kommunikationsexperte und Geschäftsführer der REVOLVERMÄNNER GmbH aus Düsseldorf analysiert für die Aktuelle Stunde des WDR die Internetauftritte sowie die Onlinekommunikation der Parteien in Coronazeiten und stellt ernüchternd fest, dass die Parteien hätten deutlich präsenter sein können.
Wahlkampf in Coronazeiten – Hören und gehört werden
Aufgrund der Tatsache, dass jeder, der heute ein internetfähiges mobiles Gerät besitzt, auch Medium werden kann, fällt es Parteien immer schwerer, Botschaften über das Internet zu verbreiten und Gehör zu finden. Die Flut von Informationen, die minütlich ins Netz gestellt werden, führt zu einem Informations-Overkill. Hinzu kommt, dass Menschen dazu neigen, Informationen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, die von Freunden und Bekannten in den sozialen Netzwerken geteilt und veröffentlicht werden. Das sind leider oftmals keine seriösen Quellen.
Insbesondere jetzt in Coronazeiten wurden das Internet und allem voran die Sozialen Medien zu immer wichtigeren Medien. Medien, die Menschen während des Lockdowns halfen, den Kontakt zur Außenwelt Aufrecht zu erhalten, aber auch maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Verschwörungsverbreiter und ihre abstrusen Theorien schnell eine große Verbreitung fanden. Mit Penetranz, Lautstärke und Provokation verschafften sich die, die gegen die verhängten Corona-Maßnahmen und somit auch massiv gegen die Regierung wetterten, erfolgreich Gehör und Aufmerksamkeit.
Das Internet als Chance
In einer Woche finden in Nordrhein-Westfalen die Kommunalwahlen statt. Doch anstelle, dass die Parteien und ihre Vertreter vermehrt und verstärkt das Internet nutzen, um Wahlkampf zu betreiben und Ihre Botschaften über das nordrhein-westfälische Wide Web streuen, wird das Netz in Coronazeiten recht stiefmütterlich behandelt.
Scherg findet, es mache den Anschein, dass die Politiker aus der Not eine Tugend machen, anstatt das Internet und seine Kommunikationsmöglichkeiten als Chance zu sehen: nämlich als Chance, auch im Netz ihre Wähler mit neuen kanalspezifischen Inhalten zu erreichen, mit Ihnen zu kommunizieren und sie für sich zu gewinnen.
Der Kommunikationsexperte Christian Scherg, der mit seiner Agentur für Online Reputation Management seit über 12 Jahren unter anderem auch Parteien und Politiker berät, stellt fest, dass bei der Online-Kommunikation aller Parteien in Coronazeiten deutlich Luft nach oben ist.
Er hält die politische Kommunikation im Netz für bieder und qualitativ sowie quantitativ absolut unzureichend. Die Folgen sind, dass die Online Aktivitäten der Parteien und ihrer Vertreter kaum bis gar keine Reaktionen hervorrufen. Eine Interaktion mit den Wählern erfolgt so nicht und das ist für einen erfolgreichen Wahlkampf in Coronazeiten mehr als kontraproduktiv. Scherg bemerkt, dass ein Bild mit wenig oder gar keinem Text pro Woche nicht ausreicht, um wahrgenommen, geschweige denn aufmerksam gelesen zu werden. Vor allem dann nicht, wenn der Großteil der Internetnutzer ihre eigenen Botschaften deutlicher, öfter, regelmäßiger und schneller ins Netz streut als die Parteien selbst.