Digitalexperte
Im März 2020 knackte der größte Internetknoten mit dem weltweit meisten Datendurchsatz seine eigene Rekordmarke – und das bereits zum dritten Mal innerhalb eines halben Jahres. Gemeint ist der DE-CIX (Deutscher Commercial Internet Exchange) in Frankfurt am Main, wo alle digitalen Datenströme, die von Deutschland ausgehen oder ankommen, durch müssen. Pro Sekunde durchlaufen hier aktuell über 9 Terabit an Daten die digitalen Kanäle, eine Steigerung von mehr als 20% im Vergleich zu September 2019. Digitalexperte Christian Scherg von der REVOLVERMÄNNER GmbH rät dennoch von Drosselungen, z.B. bei Streaming-Diensten, ab und betont ihre Notwendigkeit für das persönliche Befinden in der Zwangsisolation.
Die Kabel glühen
Seit Beginn der globalen Corona-Krise und den daraus resultierenden Kontaktsperren im beruflichen wie im privaten Bereich steht vermehrt die Frage im Raum, ob die digitalen Kapazitäten überhaupt für Home Office, Netflix und Online-Gaming ausreichen oder ob früher oder später ein „Internet-Kollaps“ droht. Der technische Direktor von DE-CIX, Dr. Thomas King, gibt ebenfalls zu, dass sich die vermehrte Nutzung tagsüber stark bemerkbar macht und sich auch die Online-Phasen eines einzelnen Users deutlich verlängert haben.
Entwarnung aus Frankfurt
Entwarnung gibt es aus verschiedenen Richtungen. So meldet der Frankfurter Internetknoten eine stets vorausschauende Kalkulation der Datenkapazität, derzeit liege sie bei 16,5 Terabit pro Sekunde und somit fast doppelt so hoch als sie aktuell beansprucht wird. Außerdem bewegt sich der Datenverkehr über einen Tag verteilt stets in Wellenbewegungen mit einem Höhepunkt zwischen 20 und 21 Uhr – auch während der gegenwärtigen Situation – und befindet sich dadurch außerhalb der „heißen Phase“, in der viele Arbeitnehmer derzeit das Netz für Home Office nutzen. Woher kommt also die Sorge?
Der Digitalexperte sieht den ländlichen Raum als Verlierer
Zum einen herrscht das größte Defizit in punkto Digitalisierung weiterhin im ländlichen Bereich. Der beste Internetzugang nützt wenig, wenn die Daten durch Kupferkabel kriechen anstatt durch urbane Glasfasern zu fliegen. Laut einer Umfrage erreichen nur 56% der Internetnutzer ihre vertraglich zugesagte Internetleistung. Zum anderen ergänzt der Digitalexperte Scherg im Interview mit dem Hörfunksender M94,5, dass es zu einem Nadelöhr-Effekt kommen kann, wenn z.B. über einen Internetanschluss im Haushalt mehrere User gleichzeitig online gehen möchten. Zu guter Letzt kann eine schwache Internetleistung auch mit den Servern der Anbieter zusammenhängen. Online-Spiele und Streaming-Plattformen erleben derzeit immensen Zuwachs. Aber auch hier wurde aus den ersten kleinen Störungen gelernt: Anbieter haben ihre Kapazitäten erhöht und gleichzeitig die Übertragungsqualität gedrosselt.